Der Malort in Breisach

Der Malort in Breisach

Küferstr. 8, 79206 Breisach

Jenseits der „Like“-Kultur

Im Malort treffen sich Menschen, um gemeinsam zu malen. Dabei gelten aber zwei wichtige Regeln. Welche das sind und was sie bezwecken, erklärt mir Jacqueline Marucha, Leiterin des Malortes in Breisach.

Wenn man Jacquelines Atelier betritt, kommt man zunächst in einem hellen, freundlichen Raum mit einem großen Tisch und bunten Filzwerkzeugen. Gleich rechts befindet sich eine Tür, die zu einem besonderen Ort führt – dem Malort. Der Malort hat mit der Weitläufigkeit vom Rest des Ateliers nicht mehr viel gemein. Es ist ein kleines und recht schmales Zimmer, das von oben bis unten in braunem Papier gehüllt ist, sogar die Tür und die Fenster sind abgedeckt. Das hat sofort eine beschützende Wirkung. Doch das Papier hat auch eine praktische Bedeutung.

Im Malort malen Teilnehmer nämlich nicht an Tischen, sondern hängen sich die Malblätter an einen Platz an der Wand. Um diese vor Farbklecksen zu schützen, deckt man sie ab. In der Mitte des Raumes befindet sich der Farbtisch, gemalt wird mit Gouachefarben.

Die Wände des Malorts sind abgedeckt und in der Mitte steht der Farbtisch
Die bunten Streifen sind Farbkleckser vergangener Malstunden
Ein Blatt zum Bemalen hängt an der Wand
Teilnehmer können sich den Platz zum Malen frei wählen. Sie können im Stehen malen oder sich einen Stuhl dazu holen.
Jacqueline Maruche in ihrem Atelier
In ihrem Atelier bietet Jacqueline auch Filzkurse für Kinder und Erwachsene an.
Kleine Tiere und Blumen aus Filz stehen auf einem Regal
Filzkurs in Breisach: als Anregung zeigt Jacqueline kleine Filzfiguren.
Eine gemütliche Couch lädt zum Sitzen und Rede ein
Als zertifizierte Psychologische Beraterin bietet Jacqueline zudem auch Gespräche an.

Fotos: Lynn Pham

Es wird nicht über die Bilder gesprochen

Idealerweise malt im Malort eine Gruppe zwischen 5 – 12 Personen. Es gibt zwar keinerlei Vorgaben, was gemalt wird, jedoch zwei wichtige Regeln: 1. Die Teilnehmer können sich über alles Mögliche während dem Malen unterhalten – nur nicht über die Bilder selbst! 2. Das Gemalte wird am Ende nicht gezeigt und nicht ausgewertet. Das dient dazu, dass die Menschen sich auf das Malen an sich konzentrieren und weniger darauf, ob das, was sie malen gut ankommt oder nicht.

Begründet wurde das Konzept von Arno Stern. Als Jude floh er im Zweiten Weltkrieg aus Deutschland und arbeitete nach dem Krieg in Kinderheimen. Er stellte fest, dass Kinder in geschützten Räumen anders malen: auf der einen Seite wird die Gemeinschaft, auf der anderen Seite aber auch gleichzeitig die Individualität gestärkt. Durch das Nicht-beurteilen und Nicht-auswerten der Bilder können sich Kinder freier entfalten. Später bot er den Malort auch für Erwachsene an.

Auf die Frage, ob es eine Art therapeutische Wirkung hat, erzählt Jacqueline, Arno Stern habe es als „Therapie vorbeugend“ bezeichnet. „Man kann durch das Malen im Malort vieles lösen und wieder zu sich selbst kommen. Ideen und Probleme können bearbeitet werden,“ erklärt Jacqueline weiter. Die Abgrenzung zur Kunsttherapie liegt aber darin, dass in der Kunsttherapie die Werke gemeinsam betrachtet und analysiert werden.

Im Malort zählt keine Leistung und kein Ergebnis, sondern nur der Prozess des Malens.

Jacqueline Marucha, Leiter des Malorts in Breisach

Wieder bei sich selbst ankommen

Obwohl Arno Stern dieses Konzept vor mehr als siebzig Jahren entwickelt hat, ist es heute aktueller denn je. In einer Gesellschaft, in der sich vieles nur noch um Likes und Klicks, Leistung und Gefallen-müssen dreht, tut es gut, einen Ort zu haben, an dem man einfach sein darf, ohne bewertet zu werden. Im Übrigen fällt es Kindern leichter, sich auf die Regeln des Malorts einzulassen als Erwachsene. So akzeptieren sie schneller, dass die Bilder im Malort bleiben, was ein weiterer wichtiger Grundsatz eines Malorts ist.

So funktioniert ein Kurs im Malort

Für alle, die Interesse haben, es selbst mal auszuprobieren, sind hier alle Eckdaten zusammengetragen:

  • Ein Einstieg ist jederzeit möglich
  • Es gibt keine Altersbegrenzung
  • Eine Einheit geht 1x/ Woche je 90 min
  • Jede*r malt im eigenen Rhythmus
  • Es gibt keine thematischen Vorgaben und keine Beschränkungen
  • Teilnehmer können an einem Bild oder an mehreren Bildern arbeiten
  • Es gibt ein kostenloses Einführungsgespräch, bei dem man sich die Räume anschauen kann und bei dem alles genau erklärt wird 

Mehr über den Malort in Breisach und Arno Stern

Jacqueline bietet auch Filzkurse in ihrem Atelier an. Man kann frei einsteigen. Es gibt zudem keinen fortlaufenden Kurs, es ist möglich, an einzelnen Terminen zu kommen, und das auch gerne spontan. Zudem hat sie ein Zertifikat als psychologische Beraterin und bietet Gespräche an.
https://malenundfilzen.de

Arno Stern lebt und arbeitet in Paris, wo er weiterhin seinen Malort leitet. Selbst im Alter von 98 Jahren gibt er immer noch Kurse, auch Online. Sein Sohn unterstützt ihn dabei.
https://arnostern.com/?lang=de

Schreib mir deine Meinung

Wie findest du die Idee des Malorts? Sind dir die Regeln zu streng oder findest du, dass das genau das Richtige ist, was wir in der heutigen Zeit brauchen? Schreib mir deine Gedanken in die Kommentare oder als Nachricht.

Written by ssobotta - 20. Oktober 2022 - 1168 Views